Bamp! - Bauen mit Papier

BAMP! – Bauen mit Papier untersucht Papier als Bauwerkstoff. Ziel des Projektes ist es unter anderem eine breite Datengrundlage zu schaffen, um Papier für Bauanwendungen zugänglich zu machen.

9. LOEWE-Förderstaffel

  • Federführende Einrichtung: TU Darmstadt
  • Partner: Hochschule Darmstadt, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
  • Fördersumme 4.643.493 Euro
  • Förderzeitraum: 2017-2020

Gerade Papier bietet hervorragendes Potenzial für biobasierte Anwendungen im Baubereich. Es ist kostengünstig herstellbar, besteht überwiegend aus nachwachsendem Rohstoff, bietet bezogen auf das Eigengewicht sehr gute Festigkeitseigenschaften, kann als flächiges Material aber auch mit hoher Porosität bzw. sogar als Schaum produziert werden und ist verhältnismäßig einfach chemisch zu funktionalisieren. Für Anwendungen wie Fassadenelemente mit hoher Wärmedämmwirkung oder als Schalenstrukturelemente fehlen heutigen Produkten jedoch die dreidimensionale Verformbarkeit, die Druckfestigkeit, die Witterungs- und Langzeitbeständigkeit und andere Eigenschaften. Ziel des LOEWE-Schwerpunktes ist es, die noch vorhandenen Defizite bezüglich der Grundlagen zu eliminieren, Synergien aus den beteiligten Disziplinen zu nutzen und eine systematische Entwicklungsmethodik entlang der Materialverarbeitungskette zu erarbeiten. Dafür sind neue Gestaltungsansätze für die industrielle Herstellung und individualisierbare Formgebung erforderlich, bekannte Materialeigenschaften sind auf die neuen Erfordernisse hin anzupassen und weiter zu entwickeln, geeignete Charakterisierungsmethoden zu erarbeiten und Werkstoffdaten zu generieren. Dadurch wird es möglich, mit wissenschaftlich abgesicherten Methoden neue Bauwerke aus Papier werkstoff-, herstellungs- und nutzungsgerecht zu gestalten.

Bauteile aus Papier und Papier-Verbundmaterial sollen so konzipiert werden, dass nach Ende der Nutzungszeit des Bauwerkes ein möglichst stoffliches Recycling der Materialien möglich ist. Am PMV wurden Methoden zur Bestimmung der Rezyklierbarkeit von Papieren erarbeitet. Diese werden auf die zu entwickelnden Bauteile und Baugruppen übertragen. Wesentliche Fragestellungen sind die Trennbarkeit von Papier und anderen Materialien (Metall, Kunststoff) zu gewährleisten, geeignete Prozesse und Prozessbedingungen zur Zerfaserung der Papierkomponenten zu finden und dabei die Schwierigkeiten, die aufgrund der chemischen Funktionalisierung der Papierfasern zur Erhöhung der Nassfestigkeit entstehen zu überwinden. Die Untersuchungen zur Rezyklierbarkeit werden mit den in den Teilprojekten 4 und 6 erarbeiteten Bauteilen und Baugruppen durchgeführt. Die Ergebnisse fließen zurück an diese Teilprojekte, so dass ggf. auch fertigungstechnische und konstruktive Maßnahmen zur Verbesserung der Rezyklierbarkeit getroffen werden können.

Für Bauanwendungen mit Papier werden heute nur in sehr geringem Umfang spezifisch gestaltete und hergestellte Papiere eingesetzt. Papiere für Bauanwendungen, wie Gipskarton- oder Wabenplatten, werden typischerweise aus Altpapier hegestellt. Häufig werden dabei aus Verpackungsanwendungen übliche Liner oder Testliner verwendet, die bezüglich der Fasereigenschaften und des Blattaufbaus gar nicht oder nur in geringem Maße für die Anwendungen im Bau optimiert sind. Das Potential von Papier als Baumaterial ist folglich heute bei weitem nicht ausgeschöpft. Dies gilt sowohl für die mechanischen Eigenschaften, wie beispielsweise die belastungsgerechte Anordnung der Fasern, als auch funktionalen Eigenschaften, wie Feuchteresistenz und flammhemmende Eigenschaften. Die Charakterisierung von Papieren erfolgt heute typischerweise mit Methoden und Kennwerten, welche für die Auslegung von Bauteilen und Bauwerken sowie für entsprechende Bemessungs- und Modellierungsmethoden nicht ausreichend sind. Diese Lücken sollen im Rahmen dieses Teilprojektes geschlossen und für Bauanwendungen optimierte Papiere hergestellt und charakterisiert werden.

Die Papiermaterialien werden mit papiertechnologischen Prüfmethoden charakterisiert, wobei die mechanischen Eigenschaften im Vordergrund stehen. Diese Messungen helfen zum einen, die Prozesse der Papierherstellung zu verstehen und zu optimieren, zum anderen fließen die Materialeigenschaften in die Modellierung der Umformprozesse (Teilprojekt 4) und der Strukturanalyse (Teilprojekt 5) ein. Die bekannten Charakterisierungsmethoden werden derart weiterentwickelt, dass die gewonnenen Materialeigenschaften für die Modellierung der Umformprozesse, die Strukturanalyse und die Bauteil- und Baugruppenauslegung verwendet werden können. Dazu sind insbesondere die Randbedingungen und die Prüfparameter für die im Grundsatz bekannten Messmethoden anzupassen

Für schalen- oder plattenförmige Bauteile werden voraussichtlich Papiere mit überwiegend isotropen Festigkeitseigenschaften in der Blattebene benötigt. Die ersten Untersuchungen zur Herstellung von Bauteilen (Teilprojekt 4) und Baugruppen (Teilprojekt 5) zeigen, welche Parameter für diesen Anwendungszweck weiter optimiert werden müssen. Aus jetziger Sicht werden neben einer hohen Bruchfestigkeit auch eine hohe Steifigkeit und eine hohe Dehnfähigkeit gefordert sein. Im Rahmen dieses Arbeitspaketes werden im Labormaßstab die genannten Eigenschaften von Papieren so weiterentwickelt, dass die Anforderungen für die geplanten Bauteile und Baugruppen erreicht werden. Dabei wird modellgestützt empirisch gearbeitet. Zur Erreichung einer hohen Steifigkeit kommen auch mehrlagige Blattstrukturen in Frage. Um für die Herstellung von Bauteilen und Baugruppen in einem etwas größeren Maßstab Papier-Halbzeuge herstellen zu können, steht am Fachgebiet für Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik eine Pilot-Papiermaschine aus der Papierindustrie (Bahnbreite etwa 30 cm) zur Verfügung.

Für stabförmige Bauteile werden Papiere benötigt, die in Längsrichtung des Stabes eine möglichst hohe Zugfestigkeit aufweisen. Dazu kann die gezielte Orientierung der Fasern im Blatt einen wesentlichen Beitrag leisten. Auf konventionellen Papiermaschinen ist eine Beeinflussung der Faserorientierung möglich, allerdings nur eingeschränkt. Für die Herstellung von hochgradig unidirektional orientierten Papieren wird derzeit eine Laboranlage aufgebaut und erprobt, die auf den Arbeiten von Kortschot basiert. Diese wird derart weiterentwickelt, dass eine höhere Faserorientierung und hierdurch eine wesentlich höhere relative Zugsteifigkeit in Längsrichtung möglich ist. Damit kann das Potential unidirektional orientierter Papiere aufgezeigt und auch ein Zusammenhang zwischen Orientierungsgrad und Festigkeitswerten ermittelt werden.