Prof. Dr. Carl G. SCHWALBE kam bereits 1902 als Dozent an die TH Darmstadt, habilitierte für die Gebiete Farben- und Faserchemie und betreute zunächst das Farbstoff- und Färbereipraktikum. Bereits 1908 wurde sein außeretatmäßiger, außerordentlicher Lehrauftrag für organische Chemie für Studierende der Papierindustrie um Cellulose- und Textilchemie erweitert. Mit Erweiterung des organisch-chemischen Praktikums für Studierende des Papierfaches kann das Sommersemester 1908 als Geburtsstunde für das Institut für Cellulosechemie betrachtet werden (Abb. 2). 1912 erhielt Prof. Schwalbe einen ehrenvollen Ruf an die Forstakademie Eberswalde.
Als sein Nachfolger wurde Prof. Dr.-Ing. Emil HEUSER als Leiter des Lehrstuhls für Cellulosechemie 1912 ernannt, der in München, Karlsruhe und Graz studiert hatte. Er war in verschiedenen Betrieben der Zellstoff- und Papierindustrie beschäftigt gewesen und kam von der Papierfabrik Steyrermühl / Österreich. 1923 verließ Prof. Heuser mit seinem damaligen Assistenten Georg Jayme die TH Darmstadt, um eine hervorragend ausgestattete Stellung als Leiter des neu gegründeten Forschungslabors der Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG in Seehof bei Berlin-Teltow anzunehmen. In die Amtszeit von Prof. Heuser fiel der Umzug der Cellulosechemie in ein ehemaliges militärisches Kammergebäude vor der Süd-Ost-Ecke des Maschinenbau-Hauptgebäudes, das 1921 feierlich seiner Bestimmung übergeben wurde. [17]
Bereits im Wintersemester 1924/25 hielt Prof. Dr. Karl JONAS die cellulosechemischen Vorlesungen für die Papieringenieure. Prof. Jonas hat sein Chemiestudium in München und Breslau absolviert und habilitierte 1919 zum Dr. phil. in Breslau, bevor er 1924 nach Darmstadt kam. Schon bald nach Amtsantritt befasste er sich mit der Umgestaltung des Studiengangs für Papieringenieure mit entsprechend starker chemischer Ausrichtung. Neben der Modifikation der Praktika wurde eingeführt, dass Papieringenieure ihre abschließende Diplomarbeit auf maschinentechnischem, technologischem oder cellulosechemischen Gebiet durchführen konnten, wobei von der letztgenannten Möglichkeit damals sehr häufig Gebrauch gemacht wurde, wie die Aufstellungen der im Institut für Cellulosechemie ausgeführten Arbeiten belegen. Doktorarbeiten wurden damals fast ausschließlich “auf cellulosechemischem, teilweise auch physikalischem Gebiet ausgeführt, da der damalige Inhaber des Lehrstuhls für Papierfabrikation, Herr Geh. Baurat Prof. Dr.-Ing. e.h. Fr. Müller, bei seiner besonderen Arbeitsrichtung keine Doktoranden annehmen konnte.“ Die Erweiterung des Know-hows von Papieringenieuren in den Wissenszweigen Maschinenbau und Chemie war so prägnant, dass die gleichzeitige Bewältigung beider Studienrichtungen kaum noch möglich erschien. Daher entschloss man sich, im Wintersemester 1927/28 das Papieringenieurwesen in eine maschinentechnische und eine chemisch-technische Studienvertiefung aufzuspalten. Für das maschinentechnische Studium des Papieringenieurs entfielen etliche chemische Vorlesungen. Außerdem wurden das anorganisch-analytische und das organisch-präparative Praktikum verkürzt. Allerdings wurde diese Neuordnung 1933 wieder verworfen und der Papieringenieur im Wesentlichen als Maschinenbauingenieur ausgebildet, der „nur die unumgänglichste, auf seine besonderen Bedürfnisse zugeschnittene chemische Ausbildung im Institut für Cellulosechemie erhält.“ Während der Amtszeit von Prof. Jonas wurde im Keller des Institutsgebäudes eine größere Zellstoffversuchsanlage eingerichtet, die 1929 in Betrieb genommen wurde.
Auf den aus disziplinarischen und damit unpolitischen Gründen erzwungenen Rücktritt von Prof. Jonas als Institutsleiter im Jahr 1933, folgte dessen Emeritierung ein Jahr später. In dem verwaisten Institut übernahm der ehemalige Direktor der Zellstofffabrik Waldhof, Dr.-Ing. E. SCHMIDT, dankenswerterweise den Vorlesungsbetrieb. 1936 wurde schließlich Prof. Dr.-Ing. Georg JAYME als Professor und neuer Institutsleiter berufen, der das Institut nachhaltig wieder beleben sollte. Prof. Jayme ging nach vierjähriger Tätigkeit bei den Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG als Leiter der Forschungsabteilung zur Canadian International Paper Company nach Hawkesbury, Ontario in Kanada. Mit Gründung des Instituts für Zellstoff- und Papierchemie wurde auf Wunsch des Reichsamtes für Wirtschaftsausbau ein besonderer Mitarbeiterstab für bestimmte Forschungsaufgaben verpflichtet und außerdem eine Holzforschungsstelle eingerichtet. Die größere Mitarbeiterzahl und der schnell steigende Zustrom an Studenten führten zu Unterbringungsproblemen, so dass mit Hilfe des Reichsamtes für Wirtschaftsausbau ein Neubau auf dem ehemaligen Ballonplatz (Ecke Alexanderstraße/Magdalenenstraße) geplant wurde. Grundsteinlegung war 1938, das Richtfest im Jahr darauf wurde in einem sehr bescheidenen Rahmen gefeiert und in Folge des 2. Weltkrieges ging der Innenausbau nur sehr schleppend voran. Das Gebäude wurde während des Krieges stark beschädigt und hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die erst 1957 mit der Fertigstellung und dem Bezug der letzten Räume endete und in der Festschrift „50 Jahre Cellulosechemie“ ausführlich beschrieben wurde [18]. In diesem Gebäude ist das Ernst-Berl-Institut für Technische und Makromolekulare Chemie, wie es sich heute nennt, immer noch untergebracht. Nach der Emeritierung von Prof. Jayme im Jahre 1969 standen dem Institut noch drei Institutsleiter vor: Prof. Dr. phil. Josef SCHURZ (1969-1974), Prof. Dr. rer. nat. Thomas KRAUSE (1975-1991) und Prof. Dr. Erich GRUBER (seit 1994). Im Zeitraum zwischen der Emeritierung von Prof. Krause und der Berufung von Prof. Gruber wurde die Ausbildung für die Papieringenieure mit Vorlesungen und Praktika vom akademischen Oberrat Dr.-Ing. Walter SCHEMPP aufrechterhalten.