Dr.-Ing. Walter BRECHT trat am 01. April 1931, im jugendlichen Alter von nur 31 Jahren, die Nachfolge seines Lehrers Prof. Müller an. Nach seinem Papieringenieurstudium und seiner Assistentenzeit (1920-1924), die er mit seiner Dissertation an der TH Darmstadt mit dem Thema „Einige physikalische Eigenschaften einer Sulfitzellstoff-Fasersuspension“ 1925 abschloss, folgte ein einjähriger Studienaufenthalt in der Feinpapierfabrik Hammermill Paper Company in Erie / Pennsylvania. Mit der Rückkehr nach Deutschland begann eine fünfjährige Tätigkeit als Betriebsleiter des Augsburger Werkes der G. Haindl’schen Papierfabriken. Obwohl er bereits der dritte Lehrstuhlinhaber war, waren seine Anfänge doch bescheiden und standen außerdem unter keinem guten Stern. Prof. BÖHME beschrieb die damalige Situation anlässlich des 85. Geburtstags von Prof. Brecht folgendermaßen: „Am 13. Juli 1931 brach in Darmstadt, als Folge des Schwarzen Freitags an der New Yorker Börse im Oktober 1929, die Danatbank zusammen. Das war das Fanal einer schweren Krise, die sich rasch verschärfte und über ganz Deutschland ausbreitete. Die kurze Stabilitätsphase der Weimarer Republik war vorüber. Im Sommer fanden in Darmstadt Hunger-Umzüge statt, fast jeder fünfte erwerbsfähige Bürger der Stadt hatte keine Arbeit. Bei der Landtagswahl im November errang die NSDAP in Darmstadt 45 % der Stimmen, wesentlich mehr als im Landesdurchschnitt, wo sie 37 % verbuchte. Im Landtag wurden Saalschlachten ausgetragen – die NSDAP, obgleich stärkste Fraktion, hatte keine Möglichkeit zur Kabinettsbildung, die sozialdemokratisch-bürgerliche Minderheitsregierung blieb geschäftsführend im Amt –, vor allem, wenn über das Landestheater debattiert wurde, dessen Ruhm als modernste Bühne Deutschlands außerhalb Berlins unter der Leitung von Carl Ebert und Gustav Hartung dem neuen Darmstadt Glanz verlieh und den Haß des Bürgermobs aufputschte. Wir wissen alle, wie es weiterging. Diese Zeit unserer Geschichte überstand Walter Brecht, konzentriert auf die wissenschaftliche Arbeit, die Entwicklung seines Faches und den Ausbau des Instituts“ [19].
Die Umstände seines Arbeitsbeginns als neu berufener Lehrstuhlinhaber beschreibt Prof. Brecht selbst in einem Aufsatz anlässlich des 50-jährigen IfP-Jubiläums. Er (Prof. Brecht) “hatte an Hilfe einen Assistenten, eine Schreibkraft und für die wenigen Tage, an denen die Papiermaschine lief, einen Werkmeister, der dem Lehrstuhl für Hydraulik zugehörte. Da auf Wunsch Prof. von Roeßlers die Vorlesungen und Übungen über Papierprüfung dem Lehrauftrag des neuen Institutsvorstandes zugeschlagen wurden, kam noch ein weiterer Assistent hinzu.“[13]
Neben dieser sehr bescheidenen personellen Ausstattung verfügte das Institut für Papierfabrikation damals außerdem auch nur über eine sehr begrenzte räumliche Ausstattung, die sich auf ein Professoren- und ein Assistentenzimmer sowie zwei Papierprüfräume im ehemaligen Maschinenbau-Hauptgebäude beschränkte, welche räumlich auch noch weit voneinander entfernt waren. Dazu kam noch der schmale Technikumsraum, in welchem die Versuchspapiermaschine untergebracht war. Es bestand daher der verständliche Wunsch, die Institutsräumlichkeiten zusammenzuführen und zu erweitern, was zunächst mit der Errichtung einer Versuchs-Holzschleiferei und eines Satinierlaboratoriums in der seit kurzem zum Gebäudetrakt der Hochschule gehörenden ehemaligen Alexanderkaserne (Abb. 3) im Jahr 1932 begann. Schließlich zog auch noch die Versuchspapiermaschine in die Alexanderkaserne um, wobei man sie mit einem Mehrmotorenantrieb, einer Sauggautsche und einem großen Trockenzylinder zur Herstellung einseitig glatter Papiere modernisierte. 1938 konnte der Umzug schließlich mit der Einrichtung von Zimmern für Sekretariat, Assistenten und Doktoranden sowie eines klimatisierten Papierprüfraumes, eines Mikroskopierraumes und eines „schönen Hörsaals“, wie Brecht ihn bezeichnete, abgeschlossen werden.